“Fang an, wo du bist,”

sagt die alte Nonne Jiko in Ruth Ozekis Geschichte für einen Augenblick. Viel wird geschrieben über Zen, über Spiritualität, über eine andere Art, die Welt, das Leben, uns selbst zu betrachten. Doch was gibt es eigentlich zu sagen? Sind Worte nicht nur der Finger, der auf den Mond zeigt? Machen wir nicht sowieso schon viel zu viel Getöse?

Worte sind der Finger, der auf den Mond zeigt. Sprache ist ein Spiegel der Praxis. Und so gibt es nichts oder doch eine ganze Menge zu schreiben. Deshalb fang ich mir mir an, hier und jetzt. Ich sitze nicht auf dem Mond und werde keine fertigen, reproduzierbaren Ansichten liefern - wohl aber kleine Notizen von der Reise, die die Praxis des Zen ist: den Mond (oder wegen mir auch den gestirnten Himmel) immer über, bei mir, während ich mit beiden Beinen mitten im Leben stecke.

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Wie geht das: Zen und Alltag?

Ich habe lange überlegt, ob ich einen Blog über “mein” Zen führen möchte. Ich bin in Sachen Zen ein absoluter, laienhafter Anfänger. (Allerdings bin mir nicht sicher, ob man über dieses Stadium wirklich hinaus gelangt.) Ich sitze täglich, in der Regel allein, und mein Austausch mit anderen beschränkt sich auf eine Handvoll Veranstaltungen im Jahr, die in der Regel schweigend verbracht werden.

Ansonsten begleiten Bücher meine Praxis, Blogs, Podcasts.

So sieht Zen im 21. Jahrhundert wahrscheinlich aus: als Übung von Laien, mitten im Alltag, mehr oder weniger angebunden an eine Gemeinschaft, aber inmitten des medialen (Über-) Angebots, das so bezeichnend für die Gegenwart ist und auch Zen nicht verschont. Ich möchte nicht den Fehler machen, dieses Überangebot, diese Konsum-Möglichkeiten mit Zen zu verwechseln (wieder die Sache mit dem Finger und dem Mond). Aber warum nicht aus der Sicht eines Übenden Texte schreiben, die die angebotene Vielfalt verarbeiten, Themen und Fragen vertiefen, zum Erfahrungsaustausch anregen - und zwar mit der Offenheit und Naivität des “Anfängergeists”? Zen im Alltag: was heißt das eigentlich? Und wer oder was soll da mit in den Alltag kommen?

Über mich

Meine erste Zazen-Erfahrung fand Mitte der 1990er bei einem Volkshochschulkurs in Leipzig statt. Viele Jahre lang kehrte ich immer wieder zu der mir eigentlich ziemlich unverständlichen Praxis des Sitzens zurück und ließ nach nur kurzer Zeit regelmäßig davon ab. Was bringt mir ein Tun, das Zeit und Kraft und Ausdauer erfordert, dann aber doch zu nichts führt?

Erst 2012 begann ich wieder regelmäßig Zazen zu üben. Und etwas ist - erfahrbar - anders seitdem. Vielleicht sind es bestimmte Lebensumstände, die es - jenseits der Idee, ich würde gern meditieren - braucht, um den Boden für eine solche Praxis zu bereiten, etwas, was der Körper eher weiß als der Geist. Seit 2013 bin ich regelmäßig Gast auf dem Benediktushof in Holzkirchen und im Zendo Dresden - und bewege mich somit in einer Zen-Linie, die wenig gibt auf Folklore und Brauchtum, sondern ihren Fokus auf den Kern des Zen richtet: das Sitzen im Hier und Jetzt.

Ich freue mich auf Texte und Diskussionen über Zen, über Gelesenes und Erfahrenes. Keiner dieser Texte kann die Erfahrungen ersetzen, die man auf oder jenseits des Kissens macht. Sie verstehen sich eher als Spiegel möglicher Erfahrungen. Oder als Finger, der auf den Mond zeigt. Von hier aus.


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