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Meister Dogen und Marcel Proust, eine japanische Zen-Nonne, ein junges Mädchen im Dienstmädchen-Café und eine amerikanische Schriftstellerin, der 2. Weltkrieg und der Tsunami vom März 2011 - es sind Welten, die in dem Roman Geschichte für einen Augenblick der amerikanischen Autorin und Zen-Priesterin Ruth Ozeki aufeinander treffen. Die Verknüpfung all dieser Elemente gelingt indes nicht ganz.

Die auf einer kanadischen Insel lebende Ruth findet eines Tages am Strand ein eingepacktes Tagebuch und einige Briefe. Das Tagebuch stammt von dem japanischen Teenager-Mädchen Nao, das sich angesichts von Mobbing in der Schule und den Selbsmordversuchen des Vaters einen ziemlich harten Panzer zugelegt hat - den eigentlich nur eine zu knacken bekommt: ihre Urgroßmutter Yasutani Jiko, die nach dem vermeintlichen Heldentod ihres Sohnes als Selbstmordpilot im 2. Weltkrieg als Nonne in ein abgelegenes Zen-Kloster gegangen ist. Dort verbringt Nao einen Sommer, in dem sie ihre Einführung ins Zen erfährt (um einige Seiten weiter dem Leser gleich eine solche auf den Weg zu geben).

Mir gefällt daran, dass man, wenn man sich auf sein Zafu setzt (…) und sich auf Zazen konzentriert, das Gefühl hat heimzukehren. (…) Zazen ist ein Zuhause, das man nicht verlieren kann, und ich mache weiter damit, weil ich dieses Gefühl so mag …

Die Lebensgeschichte ihrer Großmutter will Nao in diesem Tagebuch schreiben, ihre eigene gleichzeitig auch; zwischendrin muss auch noch das Schicksal des gefallenen Onkels aufgearbeitet werden, und Dogen - dessen Zitate, vor allem zur Zeit - durch das Buch führen, will auch verstanden werden … Das ist eine Menge und wird gespiegelt von dem seltsam ereignislos dahin mäandernden Dasein der (lesenden) Schriftstellerin, das abwechselnd mit dem Tagebuch der Nao wiedergegeben wird. Da passiert wenig, werden kleine Details ausgiebig behandelt und mit zahlreichen Nebensachen ausstaffiert. So bleibt der Eindruck eines seltsam konstruierten Buches, einer nur teilweise gelungen verpackten Didaktik, die einem das Zen nicht unbedingt greifbarer macht, sondern eher zu dessen Exotik beiträgt…

Jeder Moment ist entscheidend

Wenn, ja wenn da nicht einzelne verwirrende Passagen vor allem in der zweiten Hälfte des Buches wären, die erlebbar machen, was Dogen mit der “Sein-Zeit” meinte:

Alles, was in diesem ganzen All existiert, ist eine Kette von Augenblicken, und es ist gleichzeitig für sich allein bestehende Augenblicke der Teut. Und da Zeit immer Sein-Zeit ist, ist sie die Zeit meines eigenen Seins,

so Dogen im Shobogenzo Uji.

“Jeder Moment ist äußerst entscheidend für die gesamte Welt”, schreibt Nao. Und so zeigt sich eine merkwürdige Wechselwirkung zwischen der Zeit der Lektüre (Ruth) und der Zeit des Schreibens (Nao) - obwohl räumlich und zeitlich getrennt, sind sie Teil einer Welt und auf gewisse Weise verantwortlich füreinander. Der Schreibende nämlich existiert nur in dem Moment des Gelesenwerdens…

Hier kommt denn auch eine weitere - poetologische - Ebene hinzu, die den Rahmen des Buches im Grunde sprengt, gleichzeitig aber der vielleicht spannendste Moment des Romans ist. Ansonsten lässt sich Ozeki bescheinigen, dass ihr Buch irgendwo zwischen Sophie’s Welt und Haruki Murakami im Bücherregal gut aufgehoben ist; ein Roman über Zen ist dies indes nicht.


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