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Shunryu Suzuki - der Name ist ähnlich bekannt wie der eines Thich Nath Hanh oder eines Taisen Deshimaru-Roshi. Der Gründer des San Francisco Zen Center, der einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die Verbreitung des Zen in den USA und im westlichen Kulturkreis überhaupt hat, taugt allerdings kaum zu einem verlässlichen spirituellen Führer. Einen Eindruck von seiner unorthodoxen Lehre und seiner eigenwilligen Art zu leeren vermittelt das schmale Bändchen not always so, herausgegeben vom einem seiner Schüler, Edward Espe Brown 1.

Das Buch versammelt 35 kurze Vorträge, die Suzuki während Sesshins in San Francisco und im Tassajara Mountain Center (dem ersten Zen-Kloster außerhalb Asiens) hielt. Da Suzukis Englisch-Kenntnisse recht beschränkt waren, sind alle Vorträge in einem sehr einfachen, geradezu gebrochenen Englisch gehalten. Dem Herausgeber gelingt es, diese Unerfahrenheit im Umgang mit der anderen Sprache ins Schriftliche zu übersetzen - ebenso wie den Humor, der in jedem von Suzukis Sätzen mitschwingt.

“The things as it is”

Laut Shunryu Suzuki besteht der Kern des Zen darin, zu akzeptieren - und zwar: the things as it is. Ist diese Formulierung Fehler oder Absicht? Hat sie einen tieferen Sinn, oder besteht ihr Sinn einfach darin, den Hörer soweit zu irritieren, dass er hinter seine gewohnte, sprachlich geprägte Sicht auf die Dinge schaut?

The secret of Soto Zen is just two words: “Not always so.” Oops - three words in English. In Japanese, two words.

Zen heißt, die Wirklichkeit direkt zu erfahren: “Without being caught by words or by rules, without too many preconceived ideas”. Die Wirklichkeit ist not always so - sie ist nie so, wie wir sie uns denken oder wie eine einmal aufgestellte Regel sie beschreibt. So stellt Suzuki in seinen Vorträgen keine Regeln auf (auch wenn er darauf hinweist, dass Regeln mitunter hilfreich sind). Vielmehr schlägt er auf ganz einfache, naive und verblüffend treffende Weise einen Bogen vom Buddha-Geist zum alltäglichen Geist.

Am Tag der Mondlandung spricht er davon, was es heißt, sein Leben zu genießen:

So if you want to find something interesting, instead of hopping around the universe like this, enjoy your life in every moment, observe what you have now, and truly live in your surroundings. … The most important thing is to be able tho enjoy your life without being fooled by things.

Sich nicht zum Narren machen zu lassen, keiner Illusion zu verfallen, sich nicht in irgendeiner Gewissheit einzurichten: in jedem Moment ganz und gar hier zu sein, dass ist die Übung des Zen. Wir praktizieren Zen, so als ob wir sterben würden, so Suzuki:

When you are not thinking that you have another moment, then naturally you can accept things as they are, you can see things as they are … You will truly enjoy yourself, because you are not attached to anything.

Vom Anfängergeist

Zen Mind, Beginners Mind heißt der Bestseller der Zen-Literatur. In not always so liefert Suzuki die nicht ganz so bestsellertauglichen Hintergründe des Anfänger-Geists. Er erzählt vom Zen auf dem Weg zur Toilette, vom Reiskochen und davon, zum Frühstück gerufen zu werden.

Forget this moment and grow into the next,

sagt er. Auf dem Weg von Moment zu Moment helfen dir keine Anweisungen, aber vielleicht ein paar Wegweiser2:

  • Walk like an elephant
  • Open your intuition
  • Respect for things
  • Be kind with yourself
  • Sit like a frog

  1. Den man vor allem als Koch und Kochbuch-Autor kennt - und aus einem Film von Doris Dörrie (How to cook your life). 

  2. So einige der Titel der Vorträge in not always so


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Sag ja!

Inmitten der Wirklichkeit zu stehen und diese Wirklichkeit nicht mit unseren Ideen - was wirklich ist, was sein sollte, wer ich bin - zu verwechseln: an einem sehr lebensnahen Beispiel beschreibt Shunryu Suzuki die Praxis des Zen - und widerlegt ganz nebenbei den Nihilismusverdacht, unter den der Zen-Buddhismus immer mal wieder gestellt wurde:

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Die Verwirklichung der Wirklichkeit

In Dõgens Lehre ist das Erwachen keine Sache des "satori", sondern eine tiefgründige Wahrnehmung der Tatsache, dass unsere Existenz uns nicht persönlich gehört. Auf 300 Seiten widmet sich Shohaku Okumura dem Schlüsseltext des Shõbõgenzõ.

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Sit Down and Shut Up

Wie in einem guten Popsong schafft es Brad Warner immer wieder, die passenden Slogans und die treffenden Bilder zu finden, um in knappen Sätzen zum Ausdruck zu bringen, was anderswo blumig verpackt und esoterisch aufgeweicht wird.

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Weißt du noch oder glaubst du schon?

Warum bin ich mit meinen Fragen eigentlich beim Buddhismus gelandet, und nicht in der Kirche? Wie hat mir Zen den christlichen Glauben näher gebracht? Und warum soll ich mich zwischen Wissen oder Glauben entscheiden?

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