Ich habe heute den Feiertag mitten in der Woche (wir in Sachsen feiern am heutigen Mittwoch den Buß- und Bettag) in einem merkwürdigen Zwischenzustand zugebracht; der Kopf war noch halb bei der gestern liegengebliebenen Arbeit, halb schon bei der Arbeit, die dann morgen auf mich wartet; dieses eintägige Refugium dazwischen schien fast zu kurz, um real zu sein. Dann funken noch allerlei Pläne dazwischen, das Jahr ist ja nur noch so kurz, und so vieles muss noch erledigt werden …

Hunger! Auf jeden Fall Hunger!

Der Buddhismus kennt das Bild der hungrigen Geister, deren Hunger nicht gestillt werden kann:

Auf dem Bhavacakra (sanskrit: „Lebensrad“), welches in Sechs Daseinsbereiche unterteilt ist, wird das Reich der hungrigen Geister im Buddhismus bildlich dargestellt. Im „Dritten Kreis“ sieht man die hungrigen Geister der Verstorbenen in der bildlichen Darstellung mit übergroßen Bäuchen, dick und aufgebläht. Die engen Münder und dünnen Hälse machen es ihnen unmöglich, den riesigen Bauch zu füllen, sie können niemals satt werden und schon der Versuch zu essen bereitet ihnen unglaubliche Schmerzen. Dies ist eine Metapher für jene, die vergeblich versuchen, ihre illusorischen körperlichen Wünsche zu erfüllen,

weiß Wikipedia1. Die hungrigen Geister sind wir selbst, nicht erst als Verstorbene.

Wer kennt ihn nicht, diesen Hunger nach mehr?

Hunger nach mehr, als die Situation hergibt, Hunger nach Abwechslung, nach Erfüllung von Bedürfnissen, seien sie körperlicher oder geistiger Natur. Hunger danach, dass etwas anders sei als es jetzt ist, Hunger nach dem Gestrigen und Hunger nach der Zukunft. Hunger, auf jeden Fall Hunger!

Der Hunger entstammt dem Ungenügen an dem Vorgefundenen. Und das Ungenügen entspringt dem Ego, das begehrt anders zu sein, besser zu sein, beständig zu sein - und ja nicht aufzugehen in dem was ist. Also erfinde ich mir fleißig Gründe, warum ich - gerade jetzt, gerade hier - nicht eins sein kann mit der Situation, mit den Gedanken woanders sein muss, mich abarbeitend an immer wieder neuen Begierden, die mir mehr versprechen, mehr als das hier, anderes …

Und natürlich sind es gerade Momente, in denen Ruhe möglich wäre, wo sogar Zeit für Langeweile wäre: da meldet sich das unterbeschäftigte Ich, der kleine hungrige Geist, am allerliebsten zu Wort und nimmt mich mit sich mit.

Immerhin: der Tag begann (und endete soeben) mit Zazen. Da gelingt es mitunter, geradezu physisch ins Jetzt zu kommen, mit dem ganzen Körper spürbar, voller Verbundenheit zu dem, was mich umgibt. Ein Gefühl, das mich im Laufe des Tages dann immer wieder “heimholt”, zurück zu den Menschen, von denen ich umgeben bin, zurück in die Situation, den einzigen Ort zum Handeln.


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