Am Freitag ist mal wieder einiges liegen geblieben. Der Haushalt will noch so manches von einem, der Montag grüßt schon mit einem schwankenden Turm von Aufgaben über die Wochengrenze, und das Wochenende verbringe ich gern offline mit meiner Familie. Ab und zu aber nutze ich die Gelegenheit zu einem kleinen Tagesausflug in die Stille. Die genießt man einfach viel zu selten.

zazenkai

Schweig und genieße

Ein Zazenkai ist die komprimierte Ausgabe eines Sesshins und hat doch seinen ganz eigenen Charme. Statt mehrerer Tage genießt man den Luxus des Sitzens, des Schweigens und der Sangha nur für einige Stunden. Man ist noch näher dran am Alltag, der nur sehr kurz unterbrochen wird, und hat kaum Gelegenheit, sich irgendeine “Gegenwelt” aufzubauen. Man sitzt jetzt und hier, heute abend ist das schon wieder vorbei, also bleibt nur eins: das eine Bein, mit dem man noch halb im Alltag steht, mit reinziehen in diesen wertvollen, geschützten Raum - und dann ankommen. Vollständig und sofort.

Zwischen den lärmenden Tagen ist ein Tag in der Stille, an dem man seinen Aktionsradius auf ein paar Kinhin-Runden sowie den Gang zum Mittagessen und zur Toilette reduziert, eine ziemlich heilsame Angelegenheit.

Nicht dass man den üblichen Modus der Betriebsamkeit völlig abschalten und verlassen könnte. Auf dem Kissen sitzend, kann man nicht ausagieren, was man im Alltag jederzeit und ganz unwillkürlich bedient. So erlebt man die eigene Betriebsamkeit, den Lärm und die Rastlosigkeit als Zuschauer, der sich im Dunkel des Theaters zurücklehnen darf. Was werden da für Dramen aufgeführt! Ab und zu vergisst man sich angesichts der Geschichten, die in einem fort auf der Bühne improvisiert werden, mal ist man erheitert, mal einfach nur müde. Das Geschehen verliert spürbar an Dringlichkeit.

Am Abend wird man als Akteur auf die Bühne zurückkehren und wahrscheinlich schon nach kürzester Zeit im Gewusel den Überblick und den Abstand verlieren, den man aus der Zuschauerperspektive heraus gewonnen zu haben meint. Aber bis dahin …

Ich bin hier

In der Stille lauscht man den eigenen Gedanken, wie man es im Alltag nie vermag: Ich höre mir zu. Man braucht keine Antworten. Es geht allein um das Schweigen zwischen den einzelnen Sätzen.

Am Ende eines solchen Tages laufe ich zutiefst zufrieden durch die abendliche Stadt. Von einem warmen Gefühl der Zuversicht erfüllt, das mir signalisiert: Ich bin hier. Zwischen den permanent vorwärts und rückwärts gewandten Gedanken vergisst man das viel zu oft.

An einem Zazenkai katapultiert es dich nicht aus deiner Lebenswelt in eine andere Sphäre: dein eigenes Innehalten und Stillwerden bringen dich einfach nur auf den Boden zurück.


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